Ein GFL Spieler redet Tacheles


Alle Jahre wieder ist American Football durch den Superbowl ein riesen Media Hype auch in Deutschland. Doch wie sieht es mit der GFL aus, der Bundesliga im American Football ? 

Ein GFL Spieler redet Tacheles
Simon Gavanda
Foto: C-Sportpics

Simon Gavanda, Nationalspieler und langjähriger Spitzenspieler spricht hier über die Realität dieser Sportart in Deutschland, welche den meisten Footballfans so nicht bekannt sein wird.  Wir freuen uns, hier sein Auftaktbericht vorstellen zu dürfen. Er hat bereits angekündigt, das noch weitere folgenden werden.

Der Super Bowl steht an und wie jedes Jahr werden wieder Millionen Football Fans sich die Nacht um die Ohren hauen. Jedes Jahr scheint die NFL Fangemeinde in Deutschland zu wachsen und auch der American Football Verband Deutschland (AFVD) legt jedes Jahr kräftig zu. Wenn ich mit interessierten Leuten auf das Thema Football in Deutschland und die German Football League (GFL) zu sprechen komme, werden mir immer wieder die gleichen Fragen gestellt.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen eine Blog Serie zum Thema Football in Deutschland zu starten. Ich rede hier nicht von der NFL Europa, World League oder wie die Liga auch immer hieß. Komischerweise sind Namen wie Rhein Fire und Frankfurt Galaxy heute noch immer wirklich jedem ein Begriff. Was die wenigsten wissen ist das diese nie wirklich zum deutschen Football zählten, sondern vielmehr Versuche der NFL waren, den deutschen Markt zu erschließen mit Mannschaften in denen 95 % Amerikaner spielten.

Viele erwarten jetzt sicher romantische Geschichten von Teamgeist, Schlachten auf dem Feld mit den Kameraden die zu Brüdern wurden und und und… Ich habe mich bewusst gegen solche Kamellen entschieden und versuche meine Erfahrungen etwas anders darzustellen. Seit 2003 spiele ich nun schon Football. Ab 2006 war ich in der German Football League unterwegs. In dieser Zeit habe ich viel gesehen und Gutes erlebt aber eben auch viel Schlechtes. Deshalb wird die folgende Blog Serie keine Top sondern eher eine Bottom 10 meiner Zeit im deutschen Football werden. Das Thema Risiken (CTE, Knochenbrüche etc.) werde ich dabei nicht behandeln, das würde eine eigene Blog Serie darstellen.

Mehr über Simon Gavanda erfahrt ihr hier: https://www.american-football.com/news/dr-gavanda-und-mr-hyde-959

 

Hier geht es auch nicht darum Personen, Vereine, Verbände o. Ä. bloßzustellen, zu beleidigen oder sich lustig zu machen, vielmehr um ganz neutral erzählte Geschichten ohne Namen zu nennen. Natürlich wird man auf gewisse Personen und Vereine schließen können aber darum geht es mir nicht. Die Interpretation der Geschichten überlasse ich dem Leser. Weiterhin soll dies auch nichts in schlechtem Licht da stehen lassen, sondern vielmehr romantische Vorstellungen Unbeteiligter zum Thema Football Bundesliga widerlegen und vor allem Potentiale aufzeigen. Die NFL Fangemeinde wächst, der deutsche Football sollte nachziehen.

Fangen wir nun unten an, bzw. mit dem ersten Erlebnis:

Bottom 10: “Ach du spielst Bundesliga? Was verdient man da so?“

Es gab eine Zeit da habe ich nur gelacht als diese Frage kam. Später habe ich scherzhaft mit „etwas weniger als ein Fußballprofi“ geantwortet. Jeder kennt die Millionengehälter im Profisport, aber wie steht es um die deutschen Footballspieler in der ersten Liga? Wie die Realität aussieht möchte ich anhand einiger kurzer Anekdoten darstellen:

Ich persönlich habe sechs meiner 12 Jahre in verschiedenen GFL Mannschaften, wie die meisten meiner Teamkameraden auch, den jährlich fälligen Vereinsbeitrag bezahlt. Vier meiner 12 Jahre in der Liga gehörte ich zu den wenigen Glücklichen, die keine Vereinsbeiträge leisten mussten.

In derselben Zeit wurde ein paar Teamkollegen und mir zusätzlich ein fahrbarer Untersatz gestellt, um damit ins Training und zu den Spielen zu kommen. Ich vermeide bewusst das Wort Auto. An dieser Stelle sei erwähnt, so lustig die folgende Geschichte auch klingen mag, dass es eine riesen Leistung des Vereins war uns ohne eigene Kosten einen Schlitten zu stellen. Das ist nicht allen Vereinen der ersten Liga möglich und wir wissen es noch immer zu schätzen!

Im ersten Jahr war der fahrbare Untersatz ein Ford Ka. Jeder der schon einmal in einem Ka Baujahr 1996 saß weiß um die Stärken des Motors und die Größe des Innenraums. Spannend wird es dann, wenn in diesem Gefährt 5 Footballspieler 6 Stunden wöchentlich inclusive duftender Ausrüstung sitzen dürfen. Im zweiten Jahr gab es eine ähnliche Luxuslimousine: Ein Renault Twingo. Das Gute war, wir waren nur noch 3 Spieler und damit hatte sich die Platzproblematik erledigt. Jedoch war bei diesem Wagen die Tankanzeige defekt. Wir bewegten uns also im Blindflug durch die regionale Blitzer Landschaft und mussten genau aufpassen, wer wann und wieviel getankt hatte. Das ging sogar erstaunlich gut. Bis auf einmal, als wir um 22:30 auf der Autobahn liegenblieben ohne Sprit und Benzinkanister. Geblitzt wurden wir sage und schreibe nur drei Mal in 6 Monaten und das auch nur in 30er Zonen. Alles andere wäre bei den PS auch ein kleines Wunder. Im dritten Jahr war das Auto und der Motor groß genug (Seat Cordoba), diese Kiste hatte jedoch die Eigenart, dass sie im Leerlauf bzw. wenn man kein Gas gab einfach ausging. Da wir lernfähige und flexible Footballer sind, lernten wir in diesem Jahr mit der Handbremse im Leerlauf und Dauergas an jede Ampel zu fahren. In derselben Zeit fielen dennoch Gebühren für Auswärtsfahren, Hotelkosten und Beiträge für Trainingslager an, die zum Teil beim Einsteigen in den Bus entrichtet werden mussten.

Lediglich zwei Jahre wurde ich bislang für meinen Sport bezahlt. Dazu musste ich jedoch erst Nationalspieler und Liga-MVP werden. Meiner Einschätzung nach, beziehen weniger als 10 % der deutschen Spieler ein Gehalt. Etwas mehr bekommen immerhin Spritgeld. Es gibt natürlich erhebliche Unterschiede zwischen den Mannschaften, jedoch gibt es auch Top Clubs, die grundsätzlich keinen Deutschen etwas zahlen. Wenn Gehälter gezahlt werden dann bewegen sich diese auf Fußball Kreisliga niveau, sprich im dreistelligen Bereich.

Anstatt die Frage nach dem „wieviel“, sollte lieber nach dem „ob“ fragen. Wikipedia sagt: „Im Profisport, auch Berufssport genannt, erhält ein Sportler für die Ausübung seiner Sportart Einkünfte, von denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Er übt die Sportart also berufsmäßig aus.“ Davon fehlt es noch ein Stück. Sportlich gesehen investieren jedoch schon heute viele Spieler der Liga für das Training und die Spiele so viel Zeit wie ein Profi anderer Sportarten.

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